Rezension Urselmann: Fundraising

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Michael Urselmann: Fundraising: Professionelle Mittelbeschaffung für steuerbegünstigte Organisationen. Wiesbaden 2014, Preis: 39,99 €

Um es gleich vorweg zu sagen: In der sechsten Auflage seines Standardwerks hat Michael Urselmann zu einem großen Sprung angesetzt. Er versucht durchgängig zu zeigen, dass Fundraising sich in der klassischen Marketing-Terminologie beschreiben lässt und versucht so einen Brückenschlag vom Marketing zum Fundraising auch terminologisch herzustellen. Dabei rückt er von seiner bisherigen Verortung von Fundraising als Beschaffungsmarketing ab und begreift Fundraising als zweiten Leistungsprozess von Nonprofit-Organisationen, in welchem spezifische Fundraising-Produkte wie Patenschaften erstellt und an Förderer „verkauft“ werden.

Großer Sprung?

Bei diesem durchaus originellen Ansatz stellt sich die Frage, ob der große Sprung tatsächlich gelingt. Nachdem Michael Urselmann seinen Fundraising-Begriff definiert hat, beginnt er seine inhaltlichen Ausführungen mit dem Relationship-Ansatz und dem Hinweis, dass es für Nonprofit-Organisationen notwendig ist, langfristige Beziehungen zu Förderern aufzubauen und diese entsprechend der Spenderpyramide „upzugraden“. Dies ist aus Sicht der Organisationen konsequent, da nur so die Investitionskosten wieder eingespielt werden können. Die Frage, ob Förderer überhaupt in eine Beziehung zur Organisation eintreten wollen, beantwortet er hingegen nicht. Dabei zeigen nicht nur Förderer in Katastrophenfällen, dass sie in der Regel kein Interesse an einer Bindung zur Organisation haben, sich folglich in der Mehrheit auch nicht binden und auch nicht upgraden lassen. Dies stellt gleich am Anfang eine der zentralen impliziten Annahmen von Michael Urselmann infrage.

Wann entstehen Beziehungen?

So richtig der Hinweis ist, dass Nonprofit-Organisationen im Fundraising Beziehungen zu ihren Förderern aufbauen müssen, so wenig wird deutlich, worauf sich diese Beziehungen gründen und wann sie unter welchen Voraussetzungen mit welchen Methoden zu welchen Förderern hergestellt werden können. Damit zeigt sich dann auch, dass Michael Urselmann zwar ein kategoriales System vorstellt, dieses System aber inhaltlich unbestimmt bleibt.

Dies wird an vielen Stellen seines Buches deutlich. So beschreibt er an einer anderen Stelle die „Preisbildung“. Ohne an dieser Stelle diskutieren zu wollen, ob es überhaupt „Preise“ im Fundraising gibt, stellt er zutreffend fest, dass sie sich an Kosten, der Zahlungsbereitschaft der Förderer und/oder den Konkurrenten orientieren können. Das ist zweifelsohne richtig. Wir wissen jedoch auch – beispielsweise aus den Arbeit von Ostrower –, dass Großspender auch geben, um ihren sozialen Status zu markieren bzw. Reputation aufzubauen. Derartige inhaltliche Aspekte werden – da sie jenseits des kategorialen Systems sind – an dieser Stelle nicht berücksichtigt.

Märkte oder Gaben?

Diese Beobachtung führt zu der Frage, ob Michael Urselmann mit seinem Buch etwas macht, dass der französische Philosoph Marcel Hénaff in seinem Werk „Der Preis der Wahrheit“ am Beispiel von Sokrates und den Sophisten diskutiert: Hénaff beschreibt hier den historischen Wandel von einer Wahrheit, die keinen Preis hat, hin zu einem System, in welchem die Sophisten versuchen, Philosophie – die Suche nach der Wahrheit – zu verkaufen. Unter diesem Fokus kann zumindest die Frage gestellt werden, ob das kategoriale System des Marketings überhaupt auf Fundraising passt. Werden Spenden als Gaben verstanden, zeigt die Sozial-Anthropologie, dass Gaben und Waren nach sehr unterschiedlichen Logiken getauscht werden und unterschiedliche Lösungen für gesellschaftliche Aufgaben darstellen.

Der Unterschied zwischen Unternehmen und Nonprofits

Gleichzeitig zeigt sich auch ein grundlegendes Problem, dass sich aus der Übertragung der Marketing-Terminologie auf Fundraising ergibt, und damit auf den fundamentalen Unterschied zwischen Unternehmen und Nonprofit-Organisationen verweist. Bekanntermaßen dominiert in Unternehmen die Orientierung an Formal- und bei Nonprofit-Organisationen an Sachzielen. Während ein formales kategoriales System für Unternehmen auszureichen scheint, um deren Marketing abzubilden, ist dies bei Nonprofit-Organisationen nicht zwingend der Fall. Durch die Dominanz der Sachziele geht es immer auch um Inhalte, um Werte, Identität und Gemeinschaft. Diese nehmen aber im Fundraising einen großen Raum ein, können aber im kategorialen System der Marketing-Terminologie nicht abgebildet werden. Hier werden die Grenzen der Übertragung mehr als deutlich.

Fundraising als Gestaltungsprinzip von Zivilgesellschaft

Es gibt noch einen weiteren Kritikpunkt, der mit diesem zusammenhängt: Aufgrund seines gewählten Blickwinkels beschreibt Michael Urselmann Fundraising konsequent aus der Sicht von Nonprofit-Organisationen. Aufgrund der Werte, die Organisationen vertreten und der Möglichkeiten zur sozialen Differenzierung, das Spenden auch bietet, ist dieser Blickwinkel sehr eng. Denn im Gegensatz hierzu lässt sich Fundraising durchaus auch als Gestaltungsprinzip von Zivilgesellschaft verstehen. Denn durch die Unterstützung bestimmter Organisationen werden eben auch Abstimmungen über Werte und soziale Lösungen getroffen, die unterschiedliche Einflüsse auf Lebenschancen haben. Hieraus ergibt sich dann aber eine Reihe von inhaltlichen Fragen, die in dem System von Michael Urselmann außen vor bleiben. Das ist schade und schränkt den Diskurs über die Weiterentwicklung von Fundraising ein, wo dies nicht sein müsste.

Fazit

Damit bleibt als Fazit: Wer ein Lehrbuch sucht, indem Fundraising in Begriffen des Marketings reformuliert wird, ist mit dem Buch bestens bedient. Allerdings zeigt sich auch die Grenze dieses Ansatzes: Inhaltliche Frage, die gerade auch im Fundraising eine Rolle spielen, finden hierin keinen Platz. Damit ist dieser Ansatz am Ende eine Reduzierung des Diskurses und eröffnet kaum Platz für weiterführende Diskussionen.
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Dr. Kai Fischer

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