Charity vs. Philanthropy
eine Unterscheidung mit weitreichenden Folgen für das Fundraising
Auf dem letzten Fundraising-Kongress war es wieder zu hören: Da stellt der Referent die Motivation von Spendern für eine Hilfsorganisation dar und prompt kam die Frage: Wie ist das bei Kultur-, Bildungs- und/oder politischen Organisationen. Da müsste es doch andere Motive geben, oder?
Charity vs. Philantropy
An dieser Stelle sind uns die Amerikaner wieder einen Schritt voraus: Sie unterscheiden sehr strikt und genau zwischen „Charity“ und „Philanthropy“. Während sich das Erstgenannte auf konkrete Notsituationen bezieht, in die Menschen geraten können, steht beim zweiten die Verbesserung der Gesellschaft und des Zusammenlebens der Menschen im Vordergrund. Diese Unterscheidung ist uns im Deutschen nicht bekannt und beide Begriffe sind hier ungewöhnlich und werden wenig gebraucht.
Damit haben wir aber einen strategischen und konzeptionellen Nachteil. Denn genauso wie die Motivation der Spendenden sich unterscheidet, brauchen beide Ansätze auch jeweils eine andere Ansprache. Und wie die Fragestellerin vermutet hat: Ja, Motive und Anlässe zum Spenden unterscheiden sich erheblich.
Motive bei Charity
Tiefenpsychologische Studien von Rheingold, ein auf diese Form der Marktforschung spezialisiertes Institut, sieht die grundlegende Motivation bei „Charity-Spendern“ in der Verarbeitung von Schuld und Scham. Da gibt es in einer konkreten Situation Menschen – oder auch Tiere – die unmittelbar unserer Hilfe bedürfen. Und der auslösende Trigger liegt dann in der eigenen Lebensbiografie und dem eigenen Erleben von Notsituationen. Zum einen wird zurückgegeben und die Hilfe, die man selbst erfahren hat, erwidert bzw. Hilfe weitergegeben. Zum anderen ist es wenig erträglich, andere in ihrer Not zu sehen und man wird sich klar, wie gut man es selbst hat und wie brüchig eventuell das eigene Leben ist – und reagiert hierauf mit Scham.
Fundraising mit solidarischen Appellen
In beiden Fällen steht im Fundraising der solidarische Appell im Zentrum: Individuelle Not wird gezeigt und Förderer aufgerufen, sich an der Linderung der Not zu beteiligen. Das klappt – wenn man sich Erfolge im Fundraising anschaut – ganz gut. Zum Glück sind Menschen bereit, anderen solidarisch beizustehen.
Philanthropie und Mission-Based Fundraising
Ganz anders sieht es bei Philanthropie aus: Hier geht es nicht um konkrete Hilfen, sondern um etwas sehrt viel Abstrakteres. Entsprechend ist das Fundraising hier anders zu konzipieren. Wer beispielsweise einen politischen Impuls hat, kann gut ein mission-based Fundraising nutzen. Dann steht das Thema im Zentrum, nicht das eine konkrete Projekt. Und gemeinsam mit seinen Förderern macht sich die Organisation auf den Weg, Veränderungen zu bewirken und das Leben von Menschen und Tieren systematisch zu verbessern. Ähnliches gilt für Kultur- und Bildungsprojekte, die finanziert werden wollen. In diesen Fällen kann gut herausgearbeitet werden, warum das jeweilige Projekt wichtig ist und welchen gesellschaftlichen Impact es erzielen soll. Damit kann man dann sogar Avantgarde-Musik finanzieren.
Thema, Mission-Statement und Vision
Entsprechend unterscheidet sich die Ansprache der Förderer: Im Zentrum stehen die gesellschaftliche Mission und die Vision – warum soll was erreicht werden – und es werden Förderer gesucht, die sich auf das Thema sowie die Mission einlassen und gemeinsam die Vision verwirklichen wollen. Dies zu kommunizieren ist zwar deutlich anspruchsvoller als einen solidarischen Appell zu verfassen, aber es lassen sich dadurch auch andere Menschen ansprechen.
Unterschiedliche Beziehungen
Was auch deutlich geworden ist: Die Beziehungen zwischen Förderer und Organisation verändern sich. Beim Charity-Spenden ist die Beziehung punktuell im jeweiligen Moment der Solidarität. Sobald Förderer solidarisch waren, gibt es aus ihrer Sicht keine weitere Beziehung mit der Organisation, sondern nur im nächsten Fall der solidarischen Handelns. Entsprechend hoch ist die Abwanderungsquote, und die Bindung der Förderer fällt schwer, da jedes Mal neu ein solidarischer Akt erzeugt werden muss.
Da Spenden bei Philanthropie auf gemeinsamen Werten und Normen und geteilten Zielen besteht, sind hier die Beziehungen langfristiger angelegt. Im Grunde endet die Beziehung erst, wenn das gemeinsame Ziel erreicht worden ist. Und das kann lange dauern.
Charities als philanthropische Organisationen
Übrigens: Auch Organisationen, die gut solidarische Appelle einsetzen könnten, können auch philanthropische Spenden einwerben (andersherum – das zeigt schon die Frage vom Anfang – gelingt dies nicht). In diesem Fall steht nicht mehr der solidarische Akt, sondern die Veränderung der Gesellschaft im Zentrum. Gemeinsam können Verbesserungen umgesetzt werden. Das bedeutet allerdings, dass die jeweilige Organisation über ein Mission-Statement verfügen.
Fazit
Es lohnt sich genau zu unterscheiden, wie man sein Fundraising strategische aufsetzen möchte. Denn der Unterschied zwischen „Charity“ und „Philanthropy“ ist groß: Unterschiedliche Beziehungen und Ansprachen basieren auf verschiedenen grundlegenden Motiv-Strukturen.
Einer der Beratungsschwerpunkte von Kai Fischer sind Fundraising-Strategien. Dafür hat er sich in den letzten fünf Jahren intensiv mit Gebe-Logiken von Förderer auseinander gesetzt. Das Konzept stellt er ausführlich in seinem neuen Buch „Warum Menschen spenden“ vor. Weitere Informationen zu seinem Buch erhalten Sie hier…
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Dr. Kai Fischer
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